Es war eine Ehre und Freude für das Projekt ‘Netzwerke der Nonnen’, zu dem 850-jährigen Jubiläum des Klosters Lüne den ersten Band der Briefedition im Kloster präsentieren zu können. Als wir überlegt haben, was sich für diese Gelegenheit aus den Texten vortragen ließe, fiel die Wahl leicht und schwer zugleich: leicht, weil die Nonnen geübt darin waren, Gratulationsschreiben für die unterschiedlichsten Anlässe zu verfassen. Schwer, weil es eine solche Fülle von Möglichkeiten gibt, dass eine Auswahl nur einige besondere Rosinen präsentieren kann. Allein unter den 412 Briefen des ersten Bandes findet sich Dutzende von Schreiben zu Hochzeitsfeiern, Gratulationen zur Nonnenkrönung, Glückwünsche zur Wahl einer neuen Priorin oder eines Propsts, Neujahrsgrüße…

Wir haben versucht, eine abwechslungsreiche und repräsentative Auswahl aus diesen Briefen zusammenzustellen und werden die Texte aus unterschiedlichen Perspektiven erläutern, so wie wir es auch bei der Kommentierung der Briefe gehalten habe; so wird Lena Vosding etwas zum Gaben und Geschäften im Kloster sagen; Philipp Trettin erzählt etwas zu den Bildern, die die Nonnen für Neujahrsgrüße verwenden, Henrike Lähnemann wird die Freundschaftssprache der Nonnen analysieren, Wolfgang Seifert stellt an einem Glückwunschschreiben vor, wie diese ganzen Informationen digital versammelt werden, um sie dann wieder in der Edition ausgeben zu können, und Eva Schlotheuber wird am Ende die ganze Schar der jüngeren Nonnen reimend gratulieren lassen.

01:04 Äbtissin Reinhild Freifrau von der Goltz: Begrüßung 06:55 Henrike Lähnemann: Das Projekt ‘Netzwerke der Nonnen’ 15:31 Lena Vosding: Brief 212 und Gabentausch 28:04 Henrike Lähnemann: Mischsprache 34:22 Philipp Trettin: Brief 260 und Zusammenarbeit 44:59 Wolfgang Seifert: Digitale Umsetzung 52:46 Eva Schlotheuber: Brief 16 und Glückwünsche https://www.kloster-luene.de/veransta…

Netzwerke der Nonnen. Kritische Edition der Briefsammlung der Lüner Benediktinerinnen (Hs. 15, ca. 1460–1555)

Bearbeitet von Eva Schlotheuber, Henrike Lähnemann,
Philipp Trettin, Lena Vosding, Philipp Stenzig,
Simone Schultz-Balluff, Edmund Wareham,
unter Mitarbeit von Timo Bülters und Konstantin Winters.
Technische Umsetzung von Wolfgang Seifert und Torsten Schaßan.
Äbtissin und Konvent im Kloster Lüne
aus Anlass der 850-Jahrfeier in Verehrung zugeeignet

Ausgabe online zugänglich: http://diglib.hab.de/edoc/ed000248/start.htm
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Auszug aus der Druckausgabe, die bei Mohr-Siebeck Herbst 2022 erscheint in der Reihe: Spätmittelalter, Humanismus, Reformation: https://www.mohrsiebeck.com/buch/netzwerke-der-nonnen-9783161608988
ISBN 978-3-16-160898-8
Die beiden ersten analysierten Briefe sind in einem Leseheft hier zusammen mit Übersetzungen abrufbar.

Brief 212

Gertrud von Eltzen im Kloster Lüne an Gertrud von Eltzen im Kloster Medingen, Frühling, nach 1489, vor 1496, Dankesbrief

Die Lüner Subpriorin schreibt ihrer Verwandten und Namensvetterin im Kloster Medingen. Sie erkundigt sich nach dem Wohlergehen der Empfängerin und einer Verwandten, wohl Lucia von Eltzen. Sie bedankt sich für erwiesene Wohltaten, besonders für vergoldete Andachtsbilder. Sie werde es ihr das ganze Leben danken, denn der Anblick gebe ihr Kraft und erfülle ihr Herz jedes Mal mehr mit der Liebe der Empfängerin. Was sie ihr dafür vergelten könne, würde sie gerne tun, überlasse es aber vor allem Gott. Sie sendet das Geld für die Handschuhe, mit denen die Medinger Klostervorsteherin (wahrscheinlich Margarete Puffen) der Lüner Priorin ausgeholfen habe. Sie bittet zu entschuldigen, dass es so lange gedauert habe und sie nicht direkt angeschrieben wurde. Sie sende außerdem eingelegte Fische für die Klostervorsteherin, die diese sicher mit ihr und Lucia teilen werde.

Klosterarchiv Lüne, Hs. 15, Lage 16, fol. 9v. Lateinisch und Niederdeutsch.

Gertrud von Eltzen in Medinghen1

Fontem inundantis pietatis Jesum Christum, qui nobis in hoc vernali temporea paschalis iocunditatis reseravit vinarium sue suavitatis, pro salutatione condigna amicabiliter vestre caritati premissum!

Begrüßung: Der Quell überfließender Erbarmung, Jesus Christus, der uns in dieser frühlingshaften Osterzeit den Weinkeller seiner Süße aufgeschlossen hat, sei Euer Liebwürden zum würdigen Gruß freundschaftlich vorausgeschickt!

Precordialissima N, ik do caritati vestre fruntliken to wetende, dat ik, permittente divina bonitate Dei, byn in bona sospitate, idipsum affectere ik van juw unde van user leven amitem Lucia von Eltzen to wetende tempore longevo secundum beneplacitum divinum.

Ergehenserkundigung: Herzallerliebste [Gertrud von Eltzen], ich lasse Euer Liebwürden freund­lich wissen, dass ich, dank der göttlichen Güte Gottes, in guter Gesundheit bin; dasselbe begehre ich auch von Euch und von unserer lieben Base Lucia von Eltzen zu wissen, auf dass es dauerhaft nach göttlichem Wohlgefallen so bleibe.

Ceterum,b preamantissima amita, regratior vestre innate caritati pro multis et innumeris beneficiis, sunderghen vor de groten lefmodicheyt, de gy my lest bewiseden cum illis pulcherrimis foliis deauratis, in quibus manifestius declamastis fidele et benivolum cor vestrum cum caritate plenum, dat is my noch nicht vorgheten, ik mud juw des dancken toto tempore vitec mee, unde kan des ock nicht vorgheten quamdiu vixerod, nam quotiens ea intueor oculis corporeis totiens mirum et inauditum gaudium experior interius, unde darvan werd myn herteken sepius recreert, wente wan ik aliqua molestia vexcert byn ex multis occupationibus, unde den illos principes gloriosos ansee, so lad ik my dunken, wo se my pondus totius meroris statim allevieren, unde darvan wert juwe leve jo meͤr unde meer aucmentert in corde meo, unde konde ik juw versa vice worane thowillen wesen, dat wolde ik ex toto corde gherne don, et nil opto aut desidero men allene, dat ik juw illam caritatem gruntliken opere mochte exiberen, de ik cum stilo cotidie exprimere, quia secundum dictum beati Gregorii „Probatio dilectionis exibitio est2 operis“, tam insufficientiam meam wil ik admitteren summo largitori omnium gratiarum, a quo omne datum optimum et omne donum perfectum descendit,3 de mote hunc intime caritatis affectum vorvullen unde juw causa mei geven tot et tanta gratiarum munera, quanta celum continet gaudia et arva profert flores et gramina, quatenus in hoc ameno tempore [fol. 10r] in novitate vite cum omnibus elementis ipsius gloriose resurrexionis congratulantis renovari valeatis homine in utroque, ut post huius vite transsitarie curriculo pervenire valeatis ad amena paradise gaudia.

Thema 1, Geschenk: Des weiteren, herzallerliebste Base, danke ich Eurer angeborenen Zuneigung für viele und unzählige Wohltaten, vor allem für die große Liebenswürdigkeit, die Ihr mir jüngst durch jene wunderschönen mit Gold verzierten Blätter bewiesen habt, in denen Ihr deutlich euer treues und wohlwollendes Herz, gefüllt mit Zuneigung, ausdrückt; das habe ich noch nicht vergessen, ich muss Euch dafür mein Leben lang danken. Ich kann es nicht vergessen, solange ich lebe, denn sooft ich sie mit meinen leiblichen Augen betrachte, erfahre ich eine wundersame und unerhörte Freude. Davon wird mein Herzinnerstes immer wieder erholt. Wenn mich dann meine zahlreichen Tagesgeschäfte mit viel Ärger plagen, reicht es, die glänzenden Ritterheiligen ansehen, um den Eindruck zu gewinnen, dass sie mir meine Trauerlast erleichtern; dadurch wird Eure Liebe ja immer mehr in meinem Herzen vergrößert. Könnte ich im Gegenzug euch in irgend einer Sache einen Gefallen tun, würde ich das von ganzem Herzen gerne tun. Ich wünsche und begehre nichts mehr als Euch meine Liebe, die ich mit der Feder täglich ausdrücke, gründlich durch das Werk zu erweisen, denn „Zuneigung beweist sich im tätigen Handeln“, wie Gregor der Großen gesagt hat. So will ich meine Unzulänglichkeit dem höheren Geber aller Gaben anempfehlen, von dem das allerbeste Gut und jedes vollkommene Geschenk herabkommt; dieser möge Euch die innige Zuneigung der Liebe erfüllen und Euch an meiner Stelle so viele und große Geschenke der Gnaden geben, wie der Himmel Freuden enthält und die Felder Blumen und Gras hervorbringen, so sehr, dass Ihr in dieser angenehmen Zeit, in der Neuheit des Lebens, wenn Ihr mit allen Elementen gemeinsam Gottes glorreiche Auferstehung mitfeiert, selbst erneuert werden mögen in Eurer Person, damit Ihr ebenso nach Ablauf Eures vergänglichen Lebens zu den Freuden dieses schönen Paradieses gelangen könnt.

My karissima, ik sende juw ad presens dat gelt vor dat paare hanschen, dar reverenda dompna vestra venerande dompne nostre lest wede tho hulpe quam, unde we synt humiliter begherende, dat gy us leffliken excuseren jeghen ere werdecheyt, dat we dar so langhe mede tartert hebben, hoc evenit ex multis innumeris occupationibus, dat we des nene mathe hebben konden juw aliqua to schrivende, vor so dorske we us des nicht presumeren, dat we in se sulven hedden schreven, darumme dat id so langhe tyd vorghan iß, idcirco hebbe ik maximam fiduciam do juw unde love certliken, dat gy dat causa nostri wol willen to gude maken unde er vivo stilo bed declareren intentionem nostram, wen we er konnen schreven hebben. Ock sende ik juw pisciculos conditos unde nimium obnixe, dat gy de willen don reverende dompne vestre ex parte nostra, dar schal se sick mede confortert, Deo ad laudem, unde wel venerabilis caritas sua juw unde user lutken amiten Lucia von Eltzen wad van gheven, dat wil ik eius benivolentie ghansliken atf mitteren, wente ik hebbe dat sepissime uth juwen schriften vorstan, dat se juw materne et pie vor is in omnibus, darumme so dubitere ik dar nicht ane, quin vobis optime administrat quitquit acquirere potest.

Thema 2, Geschäft: Meine Allerwerteste, ich sende Euch gleichzeitig das Geld für die Handschuhe, mit denen Eure hochwürdige Domina unserer Domina jüngst ausgeholfen hat. Wir begehren demütig, dass Ihr Hochwürden gegenüber uns freundschaftlich entschuldigen mögt dafür, dass wir das so lange verzögert haben. Das kam aus einer schier unzähligen Reihe von Angelegenheiten. Wir hatten daherkeine Ruhe Euch auch nur kurz zu schreiben. Wir haben also nicht gewagt anzunehmen, dass wir an sie selbst schreiben könnten, da jetzt schon eine so lange Zeit vergangen ist. Wir setzen daher höchstes Vertrauen auf Euch und glauben zuversichtlich, dass Ihr unsere Angelegenheit für uns gut regeln könnt und ihr [= Margarete Puffen] im persönlichen Vortrag unser Anliegen besser erläutern könnt als wir es ihr hätten schreiben können.

Nil plus. Cum hoc valeatis in Jesu Christo sponso nostro, qui vos inebriet lacte suavitatis et dulcedinis in hac labili vita, ut post hoc satiari mereamini melle sue divinitatis4 in presentia sancte Trinitatis. Amen.

Schlussformel: Genug davon! Hiermit seid gegrüßt in unserm Bräutigam Jesus Christus, der Euch trunken mache mit der Milch der Süße und Sanftmütigkeit in diesem vergänglichen Leben, damit Ihr danach es verdienen möget, Euch zu laben an der Süße seiner Göttlichkeit in der Gegenwart der heiligen Trinität, Amen.

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a folgt gestrichen reseravit   b dunklere Tinte ab da   c Doppelschreibung von vite durch Tintenklecks überdeckt   d Doppelschreibung von vixero durch Tintenklecks überdeckt   e folgt gestrichen hant   f folgt gestrichen t

1 Eine Gertrud von Eltzen wird in den Medinger Ablässen für 1481 als 33. Nonne in der Senioritätsliste (UB Medingen, Nr. 534) und 1505 als achte Nonne (UB Medingen, Nr. 622) aufgeführt; dabei könnte es sich um eine Verwandte der aus Ebstorf nach Lüne gekommenen Gertrud von Eltzen handeln. In Medingen ist noch eine weitere Nonne aus der Familie Eltzen nachgewiesen, Lucia von Eltzen, die kurz nach 1481 eingetreten sein muss, da sie in dem ersten Ablass noch nicht nachgewiesen ist, aber im zweiten bereits als 50. von 85 Nonnen und Mädchen; sie ist 1524 als supportaria genannt (UB Medingen, Nr. 674). Datierung des Briefs: nach erstem Ablassbrief (ohne Lucia Eltzen) und vor 1496 (Tod der Lüner Gertrud von Eltzen)

2 Gregorius I Magnus, in: PL 76, Sp. 1548; 1575, Homiliarum XL in Evangelia, lib. 2, hom. 30, cap. 1.

3 Iac 1,17: Omne datum optimum, et omne donum perfectum desursum est, bei Augustinus (z. B. De sancta virginitate, cap. 32, in: PL 40, Sp. 414) wird daraus: […] Patri luminum gratias agat, a quo descendit omne datum optimum, et omne donum perfectum, dieselbe Formulierung findet sich noch fünfmal bei S. Augustinus, und in der Folge dann auch bei Prosper von Aquitanien und Bernhard von Clairvaux.

4 Aus dem biblischen Bild von Milch und Honig, nach Hugo von S. Viktor steht die Milch für die Menschheit, und der Honig für die Gottheit Christi: Miscellanea, tit. XCI „Exi de terra tua et de cognatione tua“, Sermo ad fratres, in: PL 177, Sp. 523: Sic enim demum demonstrabitur nobis terra visionis a Domino, in qua ipse videbitur Dominus, quam in repromissionem posuit filiis, lacte et melle manantem: lacte in contemplatione humanitatis, melle in contemplatione divinitatis […]. Et Salvator et Creator unus unum gaudium esset et in lacte carnis, et in melle divinitatis.

Brief 260

Zwei jüngere Nonnen aus dem Kloster Lüne schreiben an Elisabeth Bockes in Kloster Ebstorf, 31. Dezember, um 1484, Neujahrsgruß

Die Absenderinnen danken Elisabeth Bockes für alle Wohltaten, die sie ihnen seit ihren Kindertagen erwiesen habe, besonders aber während der Zeit, die sie mit ihnen in Lüne war. Da sie es selbst nicht könnten, möge Christus ihr die Arbeit mit seiner ewigen Güte vergelten. Sie senden ein Bildchen des Herzens Christi, worin er selbst als Jesuskind liege, das ihr ein gutes neues Jahr geben möge. Sie senden auch zwei derneken, die die Empfängerin während der Andacht gebrauchen soll. Sie sei sicher froh, wieder in den Rosengarten der eigenen Gemeinschaft zurückgekehrt zu sein; sie bitten um Fürbitte, da sie selbst noch zwischen Dornen wandelten. Grüße von der Priorin und dem Konvent, Grüße an die Priorin.

Klosterarchiv Lüne, Hs. 15, Lage 19, fol. 7r. Niederdeutsch und Lateinisch.

Jesum Christum, usen alderlevesten brudegham, de de is de aldereddelste a van naturen, de aldermyldeste van gnaden, de aldersoteste van herten, den sende we juk vor enen fruntliken grod tovoren!

Begrüßung: Jesus Christus, unsern allerliebsten Bräutigam, der der alleredelste von Natur ist, der allermildeste von Gnaden, der allersüßeste von Herzen, den senden wir euch als einen freuntlichen Gruß voraus!

Alderleveste Elisabeth Bockesken, we danket juwer leve lefliken unde fruntliken vor alle woldath, truwe unde leve, de gy vaken unde vele by us hebbet bewiset van usen junghen iaren wente an dessen dach, sunderken de wile, de gy hir myd us weren pro reformatione, do gy mannighen swaren arbeyt myd us hadden, des we juk nummer to vullen danken kond, unde dat ok leyder nicht vorschulden kond, so we van herten gherne deden; doch wad in us enbrickt, dat we nicht vullenbringhen kond, dat late we to Christo Jesu, usem brudeghamme, de de umme user salicheyt willen mannighen swaren dach heft ghehad up dessem ertrike, dar he ny ene ghude stunde hadde van der tyd, dat he boren ward, wente dat he upgaf synen hilgen gheyst an dem galghen des hilgen cruces, de mote juk dat hundertvolt belonen in dessem levende myd syner gotliken gnade unde soticheyt, de he nummede vorweyeret, sunder he gyft se overvlodighen alle denjennen, de der begherende synt, wente he sulven sproken heft dor den propheten Isaiam: „O alle gy, de gy dorstende synt, komet to dem wateren unde kopet sunder jenegherleyer wedderghelt wyn unde melk.1” Alse ift he segghen wolde: „Komet undeb bringhet den loven unde kopet in vaster hopene unde in kreftigher begheringhe den wyn – dat is de jnnicheyt, de gy vindet in myner gotheyt unde de soten melk – dat is de trost, den gy vindet,c wan gy juk bekummeren myd myner honnichvletenden myns- [fol. 7v] heyt.“

Ergehenserkundigung: Allerliebste Elisabeth Bockes, wir danken Eurer Liebwürden liebevoll und freundschaftlich für alle Wohltat, Treue und Liebe, die Ihr oft und reichlich an uns bewiesen habt, von unserer Jugend bis auf den heutigen Tag, besonders in der Zeit, als Ihr mit uns für die Reform hier wart, weil Ihr da manche große Mühe mit uns hattet, wofür wir Euch niemals ausreichend danken können und es auch leider nicht vergelten können, wie von Herzen gern wir das auch täten. Doch was uns fehlt, so dass wir es nicht vollbringen können, das überlassen wir Jesus Christus, unserm Bräutigam, der um unserer Seligkeit willen viele schwere Tage gehabt hat auf diesem Erdreich, wo er nie eine gute Stunde erlebte von der Zeit an, als er geboren wurde, bis er seinen heiligen Geist am Galgen des heiligen Kreuzes aufgab. Der möge Euch dafür hundertfältig belohnen in diesem Leben mit seiner göttlichen Gnade und Süße, die er niemandem verweigert, sondern sie im Überfluss all denen gibt, die sie begehren, denn er hat selbst durch den Propheten Jesaja gesagt: „O ihr alle, die ihr dürstet, kommt zum Wasser und kauft ohne irgend eine Bezahlung Wein und Milch.“ Als ob er sagen würde: „Kommt und bringt nur euren Glauben und kauft damit in fester Hoffnung und mit starkem Verlangen den Wein, d.h. die Einheit, die ihr in meiner Göttlichkeit findet und die süße Milch d.h. den Trost, den ihr findet, wenn ihr an meine honigfließende Menschlichkeit denkt.“

Hirumme, alderleveste, sende we juk an rechter leve en luttik hilgenbladeken, dar vynde gy inne ghemalet dat benediede, sote, gotlike herte uses leven salichmakeres,2 dat he umme user leve willen openen led myd dem scharpen spere; unde bynnen in dessem herteken syd dat alderschoneste begherlikeste kyndeken Jesus, dat mote juk gheven dord syne hilgen mynscheyt en nye, vrolick, sunt, salich iar; unde allent, wes gy begherende synt, beyde an dem lyve unde an der sele, dat gy sughen moten ute synem honnichvletenden herten, den hemmelschen invlote syner gotliken gnade unde soticheyt, so vullenkomelken, dat gy dar ghansliken moten inne vordrunken werden, up dat gy na dessem levende dar komen, dar gy dat grote lon van eme entfanghen moten, dat he lovede dem patriarchen Abraham, do he sprak: „Ik wil sulven werden dyn aldergrotteste lon, dat gy des den sunder ende bruken moten.“3

Thema 1 Geschenk: Darum, Allerliebste, schicken wir Euch in tiefer Zuneigung ein bescheidenes Heiligenbildchen, auf dem Ihr das gebenedeite, süße, göttliche Herz unseres lieben Seligmachers gemalt findet, das er aus Liebe zu uns mit der scharfen Lanze öffnen ließ. Und im Innern dieses Herzchens sitzt das allerschönste, liebreizendste Jesuskindchen; das soll Euch in seiner heiligen Mensch­lichkeit ein frohes und seliges neues Jahr bescheren, und alles, was Ihr Euch für Körper und Seele wünscht, und dass Ihr aus seinem honigfließenden Herzen den himmlischen Einfluss seiner göttlichen Gnade so vollkommen aufsaugen könnt, dass Ihr davon ganz trunken werden müsst, so dass Ihr nach diesem Leben dorthin kommt, wo Ihr den großen Lohn von ihm empfangen werdet, wie er es dem Patriarchen Abraham versprach, als er sagte: „Ich selbst will dein allergrößter Lohn werden, den du dann in Ewigkeit haben sollst.“

Item Karissima, we sendet juk ok twe derneken, der schol gy bruken, wan gy in juwer devocien synt; we kond dat wol weten, dat gyk nu wol is, nu gy wedder komen synt in juwe nesteken, dar gy wesen maghet sola cum solo in dem soten rosengharden Christi Jesu. Hirumme so bydde we humiliter, dat gy de armen twe scapeken, de hir noch ghad mankt distelen unde dornen der groten sorghe unde bekummeringhe, dat gy de nicht willen vorghetten in juwem bede, mer dat gy vlitighen vor us bydden, simili modo wel we wedder vor juk don.

Thema 2, Gebetsgedenken: Außerdem, Allerliebste, senden wir Euch auch zwei Tüchlein, die Ihr für Eure Andacht verwenden könnt. Wir können uns gut vorstellen, dass es Euch nun gut geht, da Ihr wieder ins heimische Nest zurückgekehrt seid, wo Ihr in trauter Zweisamkeit im süßen Rosengarten Jesu Christi sein könnt. Darum bitten wir bescheiden, dass Ihr die zwei armen Schäfchen, die hier noch unter Disteln und Dornen der großen Sorge und Bekümmernis wandeln, in Eurem Gebet nicht vergessen, sondern fleißig für uns beten wollt. Auf gleiche Weise wollen wir das auch für Euch tun.

Nicht mer, mer use leven matres unde sorores latet juk alle saluteren. Wolde gy ock van user weghene saluteren fruntliken unde lefliken use werdighen leven dompnen millenis salutationibus. Cum his commendo etc.

Schlussformel: Damit genug, aber unsere lieben Mütter und Schwestern lassen Euch alle grüßen. Bitte richtet auch von uns liebevolle und freundschaftliche Grüße an unsere würdige liebe Domina tausendfach aus. Gott befohlen usw.

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  • a nach alder folgt gestrichen beste   b folgt gestrichen kopet   c folgt gestrichen w   d folgt gestrichen dyne
  • 1 Is 55,1.
  • 2 Vgl. Appuhn/von Heusinger, Der Fund (1965), Nr. 24; Brief 305 (Lage 22, 3r).
  • 3 Gn 15,1
Buchvorstellung ‘Netzwerke der Nonnen’ oder: Die Lüner Nonnen gratulieren zur 850-Jahr-Feier
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