Vortrag von Henrike Lähnemann und Andrew Dunning (Oxford) für die Tagung ‘Bibeldichtung. Narratologische Perspektiven auf eine europäische Tradition’

Wie lassen sich Geschichten aus der Bibel erzählen, so dass sie für ein Hier und Heute relevant werden? Bibeldichtung ist eine Antwort auf diese Frage; die Nonnen in den norddeutschen Frauenklöstern entwickeln eine weitere kreative Lösung: eine multimediale Vorführung des biblischen Geschehens in Wandgemälden, Liedern, gottesdienstlichen Handlungen, Bibliodrama und Andachtstexten.

Um diese spezifisch „nuntastische“ Form von Bibeldichtung auch für das Publikum im Norddeutschland des 21. Jahrhunderts multimedial zugänglich zu machen, zeigten Prof. Dr. Henrike Lähnemann (Lehrstuhlinhaberin Ältere deutsche Literaturwissenschaft, Oxford) und Dr. Andrew Dunning (Handschriftenkurator an der Bodleian Library, Oxford) drei Handschriften aus dem Kloster Medingen bei Lüneburg live über Zoom: das Handbuch des Medinger Propsts, Oxford, Bodleian Library, MS. Lat. liturg. e. 18, quasi das Regiebuch des Klosters für die Festtage (das Vortragsposter zeigt die Befreiung Adams und Evas aus der Vorhölle durch Christus, eines der dramatischsten Geschehnisse, mit denen die Ostergeschichte ausgestaltet wurde, hier auf folio 47v in der Initiale zum Festgesang „Cum rex gloriae“), das Andachtsbuch Oxford, Bodleian Library, MS. Lat. liturg. f. 4, das die Texte und Bilder versammelt, mit denen die Nonnen innerlich das biblische Geschehen miterleben konnten, und schließlich Oxford, Bodleian Library, MS. Don. e. 248, einen Psalter, bei dem das dramatische Ostergeschehen in die Initialen der täglich gebeteten Psalmen eingeschrieben wurden.

Während des Vortrags wurden lateinische und niederdeutsche Texte der Nonnen zum Ostergeschehen in Original und Übersetzung vorgestellt und die Teilnehmenden aufgefordert, über Zoom in die Ostergesänge der Nonnen einzustimmen – ein „singing together, apart“-Modell, das die Klausur-Erfahrung der Nonnen auf Lockdown-Bedingungen transferiert. 

Alle drei Handschriften sind auch zugänglich über das Digitalportal medingen.seh.ox.ac.uk

Psalter: Initialen zur Osterzeit mit Grablegung und Erstürmung der Vorhölle auf fol. 173r und Auferstehung auf fol. 196r
Ostergebetbuch: Osterjubel auf fol. 20r und Erläuterung zum ‘Victime paschali’ auf fol. 71r

Weitere Links zu Ressourcen, die im Vortrag erwähnt wurden:

  1. Vorlesungsreihe ‚Osterspiele‘ mit Wienhäuser Osterspiel https://tinyurl.com/Osterspiele
  2. Aufführung Höllenspiel aus dem Innsbrucker Osterspiel https://www.seh.ox.ac.uk/mystery-cycle/harrowing-of-hell. Direkter Link zur Stelle, an der Lucifer “Quis est iste rex glorie?” singt
  3. ‚Victimae paschali laudes‘ in der „BODcasts“-Serie „Singing from Manuscripts“: 
    https://podcasts.ox.ac.uk/singing-together-apart-drama-and-medieval-chant
  4. Komplet in der Krypta am Do 22:15 Uhr https://youtu.be/p4zImJl8ppY
  5. Notenfassung der Medinger Version des ‘Victime paschali laudes’
Victimae paschali laudes with the vernacular answer in the version of the Medingen nuns, typeset Andrew Dunning

Ostern erzählen. Live-Präsentation der Medinger Handschriften aus der Bodleian Library
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